Stellungnahme der Blocknachbarn Sankt Pauli zum DFL-Konzeptpapier
„Sicheres Stadionerlebnis“
Das Wichtigste vorweg: Wir unterschreiben gar nichts!
Die Mitglieder des Fanclubs Blocknachbarn Sankt Pauli lehnen das Konzeptpapier „Sicheres Stadionerlebnis“ im Ganzen ab und weigern sich ausdrücklich, es zu unterschreiben. Die darin geäußerten Punkte sind nicht akzeptabel. Der sicherlich größte Kritikpunkt ist, dass es bei der Planung und Erarbeitung dieses Konzeptes keinerlei Beteiligung der Fans gab. Die oft betonte Transparenz und der häufig und gern zitierte Dialog mit eben jenen wurden hier absolut intentional außer Acht gelassen.
Weiterhin ist von einem „freiwilligen“ Kodex mit verbindlichem (!) Inhalt die Rede, und das paradoxerweise bei gleichzeitiger Sanktionierung für den Fall der Verweigerung der Unterschrift oder der Missachtung einer solchen „Vereinbarung“. Dabei handelt es sich um nichts Anderes als Muskelspiele von DFB und DFL, die wir in keiner Weise akzeptieren können. Viel mehr sehen wir in dieser Provokation (einer weiteren von vielen) die Gefahr einer Eskalation. Es soll um Sicherheit im Stadion gehen? Wir fühlen uns im Stadion bislang recht sicher – und ist das NICHT der Fall, liegt das mitnichten am Verhalten der Fans, sondern ganz im Gegenteil an dem der Polizei. Übertriebene Gewaltandrohung, der hemmungslose Einsatz von Pfefferspray und das Einkesseln von Fans auf dem Weg zum Stadion seien hier nur exemplarisch genannt. Erschwerend hinzu kommen der unerträgliche Populismus der Medien, die mittlerweile Fußballfans mit der Taliban vergleichen, und die immer härteren (und somit immer unverhältnismäßigeren) Sanktionen seitens des DFB. Im Alltag gilt das Kleben eines Aufklebers oder das Umwerfen einer Mülltonne maximal als Ordnungswidrigkeit – im Fußballalltag kann ein solches „Vergehen“ leicht zu einem mehrjährigen Stadionverbot führen. Auf dem Fuße folgt möglicherweise ein Eintrag in die Datei Gewalttäter Sport, den man nicht mehr los wird; wir betonen nochmals, dies geschieht bei absoluten Nichtigkeiten. Kaum eine Gruppe wird so kriminalisiert wie Fußballfans, während DFB und DFL alles daran setzen, das Erlebnis Fußball zu einem kommerziell maximal ausgeschlachteten Medienevent zu kreieren.
DFB und DFL sollten Fans eigentlich unterstützen, sind sie es doch, die das Erlebnis Fußball überhaupt erst gestalten, es zu dem machen, was es ist (und was die genannten Institutionen ja auch gern haben wollen, gute Stimmung mit singenden, feiernden, den Verein anfeuernden Fans). Statt dessen ergehen sie sich in immer absurderen Repressionen und sogenannten Konzepten, die Grundrechte mit Füßen treten. Allein die Idee, dass einige ein Banner hochhalten und hinterher in Sippenhaft genommen werden, weil irgendjemand hinter ihnen möglicherweise etwas getan hat, das DFB und DFL nicht passt, ist absolut inakzeptabel.
Der Gipfel der Geschmacklosigkeit ist allerdings die Gleichsetzung des Zündens von Pyrotechnik mit rassistischen Äußerungen und Handlungen, wie es im Konzeptpapier mehrfach der Fall ist. Nicht nur, dass diese Gleichsetzung rechtlich schlicht falsch ist, sie hinterlässt mehr als einen bitteren Geschmack und lässt am Verstand der Verfasser zweifeln. Den gleichen Effekt hat die sogenannte „Vollkontrolle“. Vollkommen gleichgültig, ob in Zelten, Containern oder sonstwo – sich vor Sicherheitspersonal auszuziehen ist sicherlich die ultimative Demütigung, der sich die Verfasser des Konzeptpapiers ganz bestimmt niemals unterziehen würden. Wir halten bei diesem sogenannten Sicherheitspapier nicht nur die Herangehensweise für äußerst fragwürdig, sondern auch große Teile des Inhalts für absolut bedenklich, praxisfern und teilweise schlicht sinnlos. Wir werden dieses Konzeptpapier nicht unterschreiben, und wir werden uns dafür einsetzen, dass auch andere Fanclubs des FC St. Pauli sich entschieden gegen diesen Entwurf aussprechen, damit er in der jetzigen Form nicht verabschiedet wird. Weiterhin fordern wir die Verantwortlichen des FC St. Pauli nachdrücklich dazu auf, endlich klar Stellung zu beziehen und sich hinter seine Fans zu stellen. Gegen die aktuellen, einseitig festgelegten, alternativlosen Regeln setzen wir uns entschieden zur Wehr und fordern ausdrücklich einen nachhaltigen Dialog mit den Fans. Eine Umsetzung dieses Konzepts halten wir für schlicht unmöglich.
Blocknachbarn Sankt Pauli
November 2012